Elektrisches Fliegen - die Zukunftsperspektive
Elektrisches Fliegen - die Zukunftsperspektive
Zweites Brennstoffzellenflugzeug
Professor Dr. Josef Kallo gilt weltweit als führende Kapazität für alternative An-
triebssysteme in Luftfahrzeugen. Sein Stuttgarter Institut für Thermodynamik am
Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) hat mit dem im Oktober 2015
vorgestellten HY4-Projekt einen weiteren Schritt zur Realisierung seiner Idee für
emissionsfreie Passagierflüge in Angriff genommen.
Grafikmontage:
DLR
Ist bereits für den Sommer 2016 geplant: HY4-Versuchsträger mit Wasserstoffantrieb
Er setzt dabei auf ein Hybridsystem:
Hauptenergiequelle ist eine Niedertempe-
ratur-PEM-Brennstoffzelle. Diese wandelt
den im Tank mitgeführten Wasserstoff und
Luftsauerstoff in Wasser und elektrische
Energie um. Im Reiseflug versorgt die
Brennstoffzelle den Elektromotor mit
Strom. Als Zwischenspeicher dient eine
Lithium-Batterie ab. Als Nebeneffekt
könnte in Passagierflugzeugen der aus
dem Wasserstoff und dem Luftsauerstoff
produzierte Wasserdampf dem bordeige-
nen Wasserkreislauf zugeführt werden.
Damit reduziert sich das mitzuführende
Wasser an Bord, was die Nutzlast erhöht.
Bei Kleinflugzeugen würde man den ent-
stehenden Wasserdampf allerdings ein-
fach ablassen. Seit zehn Jahren arbeitet er
bereits mit seinem Team an der Umset-
zung, dieses Ziel zu erreichen. Mit der
Antares H2 unternahm er 2009 die ersten
Schritte. Dieser Motorsegler ist bis heute
im Einsatz.
Doch schon 2008 schickte Boeing eine
einsitzige Dimona, ausgerüstet mit Brenn-
stoffzellen und einer Speicherbatterie in
Spanien in die Luft. Bekanntester Zeitge-
nosse war der Franzose Gérard Thevenot,
der sein Trike 2009 nur mit den Brennstoff-
zellen und einem E-Motor ausstattete.
Thevenot gab aber nach vielen Störungen
im Antriebssystem und einem Totalbrand
genervt wieder auf. Auch unternahmen
einige Institute und Firmen wie Airbus Ver-
suche, die APU‘s in Verkehrsflugzeugen
durch Brennstoffzellensysteme zu ersetzen.
So entstand schon 2011 eine Zusammen-
arbeit zwischen Airbus und dem DLR, in
deren Versuchsträger ein Airbus A320, mit
einer Brennstoffzelle und einem nachge-
schalteten Generator ausgestattet war. Das
wasserstoffbetriebene System soll als Not-
stromversorgung die Hydraulik und Elektrik
eine Stunde in Betrieb halten.
HY4H2FLY im Zulassungsprozess zu
betreuen und auch den späteren Betrieb
mit ihr durchzuführen. Ingenieur Tomažič
erkärte: „die ganzen Integrationsarbeiten
erfordern harte Arbeit. Wir haben dafür
eine zusätzliche Halle angemietet, in der
wir mit einem kleinen Experten-Team
ungestört die Vorbereitungen für den
späteren Einbau der Baugruppen für den
Antriebsstrang vornehmen. Nur etwa 20
Prozent der Zelle bleiben davon erhalten,
doch rund 80 Prozent der Arbeiten sind
neu anzusetzen. Wir hoffen, bis zum
Sommer fertig zu sein, um den Flieger
dann in die Luft zu bekommen.“
Dem HY4-Projekt kommen die jahrelan-
gen Erfahrungen der Firma zugute, die wie
kei anderes Unternehmen in Kleinserien
auf dem UL-Sektor Step-by-step die
Entwicklung vorangetrieben haben.
Versuchsträger Pipistrel G4 als Basis des neuen Brennstoffzellenflugzeug HY4.
Vielen Lesern ist sicher noch die sehr uto-
pisch wirkende Doppelrumpfkonstruktion
Taurus G4 in Erinnerung. Dies war eine
Idee von Tine Tomažič, dem Chefent-
wickler von Pipistrel, der aus zwei Taurus-
Rümpfen sowie einem Flügel- und Höhen-
leitwerkssatz ein Flugzeug mit einem neu-
entwickelten Mittelstück zusammensetzte.
Darin befand sich die elektrische Antriebs-
einheit. Die „Behelfskonstruktion“ erwies
sich, wie bekannt ist, als erfolgreichste
Elektromotorisierung. Pipistrel-Firmenboss
Ivo Bosacarol und Professor Kallo verein-
barten eine Wiederverwendung des G4-
Versuchsträgers. Der vorgesehene An-
triebsstrang ließe sich in dieses Flugzeug
am schnellsten und preiswertesten inte-
grieren. Nun ist aber nicht so, dass man
Wasserstofftanks und Brennstoffzellen
sowie Batteriemanagement und Elektro-
motoren wie Bausteine aus einem Regal
nehmen kann, um sie in die zur Verfügung
stehenden Räume wie Lego-Steine zu-
sammen zu setzen. Hydrogenics konnte
als Brennstoffzellenhersteller gewonnen
werden. Dazu müssen Wasserstofftanks,
die einem Druck bis zu 350 bar stand-
halten und das dazugehörige Leitungs-
system beschafft und angepasst werden.
Das Batteriemanagementsystem ist mit
dem E-Motor in jedem Fall in das Flügel-
mittelstück einzubauen. Weitere techni-
sche Details, insbesondere, wo die Brenn-
stoffzellen und die Wasserstofftanks unter-
gebracht werden, wollte man noch nicht
verraten. Viel Arbeit also noch, bis tatsäch-
lich der fertige „Passagierflieger“ im Hei-
matflughafen Stuttgart ankommt und der
zusätzlich von der Universität Ulm als
wissenschaftlicher Partner die Stuttgarter
unterstützen wird. Die DLR hat extra eine
Ausgründung vorgenommen, um sie als
Fliegt seit 2009: DLR Antares H2
Prof. Dr. Josef Kallo präsentierte die HY4
Foto: DLR
Vom Elektromotorsegler zum DLR HY4
Antrieb und Ziele
Der Antrieb der HY4 wird mit einem 80 kW
Elektromotor ausgestattet. Das ermöglicht
eine Höchstgeschwindigkeit von rund 200
km/h sowie eine Reisegeschwindigkeit von
145 km/h. Abhängig von Geschwindigkeit,
Flughöhe und Zuladung ist eine Reich-
weite zwischen 750 und 1.500 Kilometern
möglich. Die Doppelrumpfkonstruktion
ermöglicht eine optimale Verteilung der
Antriebskomponenten. In jedem der
beiden Rümpfe haben zwei Passagiere
Platz. Das Abflugmasse der HY4 beträgt
1.500 Kilogramm, was der Echo-Klasse
entspricht. Mit dem Projekt für das vier-
sitzige Flugzeug HY4 geht das Deutsche
Zentrum für Luft- und Raumfahrt einen
weiteren wichtigen Schritt, um emissions-
freies elektrisches Fliegen in die Realität
umzusetzen: Die HY4 wird das weltweit
erste viersitzige Passagierflugzeug sein,
das allein mit einem Wasserstoff-Brenn-
stoffzellen-System angetrieben wird. "Mit
der HY4 wollen wir Elektromobilität in die
Luft bringen, die Machbarkeit dieser
Technologie demonstrieren und konkrete
Anwendungsfelder im Passagiertransport
aufzeigen", erklärte Professor Dr. Josef
Kallo, Koordinator Elektrisches Fliegen bei
dem DLR bei der Vorstellung des Projekts
auf der internationalen Kongress „World of
Energy Solutions“ am 12. Oktober 2015 in
Stuttgart.
Foto: DLR
Grafik: Bauhaus Luftfahrt e.V.
"Die große wissenschaftliche Herausfor-
derung des Projekts besteht darin, die
Leistungsfähigkeit, Effizienz und Zuver-
lässigkeit des Antriebssystems Schritt für
Schritt zu maximieren und für den Einsatz
zum Passagiertransport zu erproben",
fasste Projektleiter Professor Dr. Josef
Kallo zusammen. Bei den beiden Bau-
gruppen des Motors und deren Steuerung
kann man bereits auf Bewährtes setzen.
Das Wasserstoffbetankungssystem, die
Wasserstoffdrucktanks und den Brenn-
stoffzellen selbst auf eine ökonomische
vertretbare Schiene zu bekommen, wird
aber noch auf Jahre hinaus eine große
Herausforderung bedeuten, wenn nicht
doch die Fahrzeugindustrie die Entwick-
lung schneller vorantreibt. Wie man aller-
dings den Wasserstoff sicher speichern
kann, bleibt noch eine Herkulesaufgabe.
Erfahrungen Versuchsträger HY4 sammeln
Zur Zeit gibt es dafür drei verschiedene
Speichermethoden:
Die Speicherung von gasförmigem Was-
serstoff in Druckbehältern, was zunächst
für das HY4-Projekt vorgesehen ist und in
einer möglichen Phase 2 die Speicherung
von flüssigem Wasserstoff in vakuumiso-
lierten Behältern. Denkbar wäre auch die
Einlagerung von Wasserstoff in Metallhy-
driden, wie sie momentan in Kraftfahrzeu-
gen erprobt wird. Der Wasserstoff könnte
so in einer noch höheren Dichte als im
flüssigen Zustand gespeichert werden.
Doch diese Methodik hat trotz aller Vor-
teile auch entscheidende Nachteile, und
das sind das hohe Gewicht des Metall-
hydrids und besonders auch die langen
Ladungszeiten. HY4 wird also nach seiner
Indienststellung noch einige Jahre ein
Einzelstück bleiben.
Gestärkt durch die Erfolge mit H2 ent-
standen in Stuttgart Ideen, einen größe-
ren Versuchsträger für die Wasserstoff-
technologie zu entwickeln, um damit auch
Passagierflüge durchführen zu können.
Eine geeignete Zelle dafür zu finden, die
die sichere Unterbringung der Wasser-
stofftanks und der Brennstoffzellen garan-
tiert, war nicht ganz so einfach.- Doch
während die Pläne für HY4 bereits reali-
siert werden, beschäftigen sich die Inge-
nieure mit Entwürfen erster Regionalver-
kehrsflugzeuge, die Fimen wie Airbus in
den nächsten 10-20 Jahren realisieren
könnten. Als Airbus seinen E-Fan in Paris
vorstellte, äußerste sich CEO Tom Enders
sehr optimistisch. Er rechnet dann sogar
schon mit 50-100-sitzigen Maschinen,
wenn die Batterieentwickler mitzögen und
das vielleicht auch schon viel früher.
In 20 Jahren schon 100-Sitzer?
Ce-Liner, eine Bauhaus-Studie für das Jahr 2035. Das Flugzeug mit 190 Sitzen soll
auf Zwischenlösungen verzichten und ausschließlich mit Batterien betrieben werden.
Foto: DLR
Foto: Frank Herzog
Elektrisches A320-Bugradfahrwerk